Nachdem Sarah und ich letztes Wochenende in Yogyakarta verbracht haben, zeigte ich ihr die Woche über Jakarta. Pflichtbesuche wie diverse Malls, Massage oder auch mein geliebtes Santika standen auf dem Programm. Wir besuchten den Alpenstammtisch und freuten uns über kostenlose Spätzle, um anschließend noch im Social House bei toller Atmosphäre den Abend ausklingen zu lassen.

Leider schien der Regen nicht enden zu wollen und so verbrachten wir die nächste Zeit in unserem Zelt und warteten auf etwas Sonnenschein. Nach einem wärmenden Tee klagte Sarah zum ersten Mal über Bauchschmerzen. Das später folgende Abendessen ließ sie aus und auch danach wurde es nicht besser. Gegen 19h musste sie sich das erste Mal übergeben. Die Prozedur wiederholte sich die nächsten zwei Stunden des öfteren, doch als alter Kotz- und Diarrhoe Spezialist machte ich mir keine größeren Sorgen. Damit sie trotz der Übelkeit irgendwie an Nährstoffe gelangte, bereitete ich ihr eine Trinkflasche mit Elektrolytlösung vor, an der sie zwischenzeitlich immer mal wieder nuckelte. Ich versuchte mir per Handy über Tiwuk Informationen zukommen zu lassen, was es denn sein könnte, doch trotz anwesendem Arzt bei Tiwuk war eine Ferndiagnose schwer. Während ich in Badehose und ohne Shirt im Zelt sitzen konnte, war Sarah bitter kalt. Trotz Pulli, zweier Decken, einem Handtuch und dem (dünnen) Schlafsack fror sie zitternd. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch mitten im Dschungel Sumatras. Als sie mir dann sagte, dass sie ihre Finger nicht mehr spüren würde, traf ich eine Entscheidung und rief Haidir herbei. Wir müssen Sarah ins Krankenhaus bringen. “Jetzt? Von hier? Wir sind mitten im Dschungel. Es ist stockdunkel. Das wird schon. Lass mich mal ihre Temperatur fühlen.” Er nahm Sarahs Füße und erstarrte. Anschließend fühlte er ihre Hände und sein Gesicht wurde blass. Schnell verließ er das Zelt und machte ein kurzes Telefonat. Während Haidir die anderen Guides am Zeltplatz holte, fing ich an unsere Sachen irgendwie wieder in unsere Rucksäcke zu stopfen. Ein Gesicht erschien im Zelteingang und Sarah setzte sich auf. Der unbekannte Guide tastete sie ab und fragte sie nach ihrem Befinden. Dann fing er an etwas von einer Malariainfektion zu erzählen, wodrauf ich hin hinwies, Sarah sei seit 2 Tagen in Malariagebiet, sie könne unmöglich schon erkrankt sein. Die anderen Guides nahmen unsere Sachen und wir verließen das Zelt. Jemand wollte Sarah stützen, doch sie murmelte noch “Ich kann alleine gehen”, bevor sie neben dem Feuer zusammenbrach.
Dann ging alles ganz schnell. Ein Indonesier packte sich Sarah und warf sie sich auf den Rücken. Wir liefen so schnell es ging durch den Bach, an den anderen Zelten vorbei, unsere Sachen hinter uns lassen. Irgendjemand würde sie schon mitnehmen. Es ging ein paar Minuten querfeldein, am Dschungel entlang, bis wir an einen reissenden Fluss gelangten. Irgendwoher tauchte ein riesiger Reifen auf, ich schmiss mich darauf und Sarah wurde auf mich gelegt. Während ich versuchte, meinen Kopf über Wasser zu halten und Sarah irgendwie trockend, stammelte sie unentweckt, sie könnte ihr Beine nicht mehr fühlen. Die Indonesier waren in eine Diskussion verwickelt, mir ging alles nicht schnell genug, also brüllte ich einfach “go go go” in ihre Richtung. Haidir schnappte sich den Reifen und zog von vorne, zwei Indonesier schoben von hinten. Immer wieder tauchte Haidir in den Fluten unter oder rutschte Weg, doch wir erreichten bald das andere Ufer. Einer der Indonesier nahm Sarah auf den Rücken und wir liefen den schmalen, in den Fels gehauen “Weg” direkt am Fluss entlang. Immer wieder rutschte ich weg oder stolperte über am Boden liegende Steine und Sarah beklagte sich weiterhin über fehlendes Gefühl in Armen und Beinen. Alle 2-3 Minuten wechselten wir uns drei mit dem Tragen ab, während die anderen beiden hinter dem Träger liefen und versuchten mit Taschenlampen so gut es ging den Weg zu leuchten. Rechts von uns ging es inzwischen 10m in die Tiefe, ein falscher Schritt und man wäre wieder im Fluss gelandet. Rauf und runter ging es, über Holzbalken und Trampelpfade, bis wir ein kleines Dorf erreichten. Dort gab es leider kein Auto, dafür einen Roller. Haidir fuhr, ich saß hinten und quetschte Sarah zwischen uns ein. Ein paar hundert Meter konnten wir fahren, dann ging es wieder ins Gelände. Eine steile Treppe führte nach oben, Sarah wollte nicht mehr getragen werden, ich sagte nur “ist klar” und buckelte sie auf dem Rücken. Während ich keuchend die Treppe hochrannte, beschwerte sich Sarah, ich solle sie gefälligst bequemer tragen. Wir rannten weiter und weiter und erreichten irgendwann Bukit Lawang. Hier stand direkt ein Wagen bereit. Sofort wurden mir vom Medizinmann “lokale Medikamente angeboten”, irgendwelche grünlich und rosafarbenen Kügelchen. Da ich Sarah gerne atmend zu einem Arzt bringen wollte, verneinte ich seine mehrmaligen Aufforderungen, ihr doch endlich seine Mittelchen zu verabreichen. Wir fuhren zum lokalen “Krankenhaus”, aber die dortigen Bedingungen ließen die zweistündige Fahrt nach Medan wie die sicherere Variante erscheinen und so gaben wir Sarah eine trockene Hose und und Shirt und fuhren los nach Medan.
Während der Fahrt konnte Sarah endlich wieder ihre Arme und Beine spüren und die Anspannung legte sich ein wenig. Nachdem ich Sarah beim Dorfarzt das Kotzen “verboten” (los los los wir müssen weiter, hier ist eine Kotztüte) hatte, nutzte Sarah zu meiner großen Freude letztere auch während der Fahrt fleissig weiter. Meine Versuche, ihr irgendwie Elektrolytlösung zukommen zu lassen, waren zum Scheitern verurteilt und irgendwann verweigerte sie das Wasser komplett. Weil Sarah halbtot gegen die Fensterscheibe gelehnt im Auto lag und ich nicht wusste, ob es eine gute Idee wäre, sie schlafen zu lassen, vergewisserte ich mich alle paar Minuten, ob sie noch anwesend sei. Gegen Mitternacht waren wir endlich am Krankenhaus angekommen. In der Notaufnahme wurde Sarah auch sofort “untersucht”. Man fragte, was sie für Symptome habe, maß ihr Fieber und damit war die Sache für den Doktor anscheinend gegessen. Blut- und/oder Stuhluntersuchungen, wie es der Botschaftsarzt in Jakarta bei jeder Routineuntersuchung macht, schienen bei ihm nicht sonderlich gefragt. Ich habe es zwar nirgends praktiziert gesehen, aber ich bin mir sicher, dass der gute Mann den Aderlass zur Heilung noch anwendet. Die Krankenschwester legten der Spritzen liebenden Sarah den Zugang zum Tropf und ließen uns dann allein. Für den Rest der Nacht, denn die Professionalität dieses Krankenhaus zeigte sich dann auch dadurch, dass ich die Nacht über den Tropf kontrollieren durfte und dann die Schwester holen musste, wenn dieser mal wieder nicht mehr tropfte. Zwischenzeitlich hatte ich auch den Notfalltransport nach Medan bezahlt. Gegen 3h kam Haidir ins Krankenhaus. Er hatte in Bukit Lawang auf unsere Sachen gewartet und diese dann mit Andy zusammen auf dem Roller nach Medan gebracht. Dabei war Haidir sogar noch auf der Fahrt eingeschlafen und die beiden zeigten stolz ihre Fahrtschrammen.
An Schlaf war in dem auf 8° runtergekühlten Krankenhaus nicht zu denken. Ich organisierte Sarah eine zweite Decke und stahl mir selber eine, um in den nassen Sachen nicht komplett zu erfrieren. Als sich Durchfall ankündigte, fragte ich die Krankenschwester erneut nach dem Arzt, doch diese dachten gar nicht daran, war dies doch ihre Gelegenheit zur Selbstdiagnose. Während ich nach Sarah schaute, verschwand die Krankenschwester kurz, nur um mit diversen Tabletten und Mittelchen am Krankenbett aufzutauchen. Stolz fuchtelte sie mit Tabletten vor meiner Nase herum und ignorierte meine Nachfragen. Als ich dann recht fordernd verlangte, doch endlich über die Medikamente aufzuklären, konnte sie mir nur “gegen Durchfall” sagen, woraufhin ich ihre Behandlung abwies. Um Acht wurde Sarah ohne jede weitere Untersuchung entlassen und wir begaben uns in ein Hotel um die Ecke, wobei Sarah sich kaum auf den Beinen halten konnte. Kaum aufs Bett gefallen, war Sarah eingeschlafen, während ich noch schnell bei KFC etwas aß. Wir wachten erst gegen Abend wieder auf. Sarah ging es inzwischen ein wenig besser. Sie konnte zumindest wieder laufen, auch wenn sie weiterhin wirklich schwach war. Um etwas zu Essen suchten wir nur kurz die benachbarte Mall auf, um anschließend sofort wieder ins Bett zu gehen. Sonntag hatte sich Sarah zumindest soweit gefangen, dass sie wieder feste Nahrung (Pommes) zu sich nehmen wollte und wir konnten Montag in der Früh den Rückflug nach Jakarta wahrnehmen
Ein Kommentar
Schön, wie sehr sich Sarah gefreut haben muss, dass auch ein Krankenhausbild von ihr online ist…:)